Gedanken zur Beschlussvorlage Kita
Vor einigen Tagen haben wir – nach Bekanntgabe der geplanten Änderungen den Nürtinger Eltern die Möglichkeit gegeben, Fragen dazu zu stellen, die wir kuratiert – gesammelt an die Stadt weitergegeben haben. Über 130 Fragen haben uns am Ende erreicht – zu ganz unterschiedlichen Themen. Aber das Hauptthema – mit den am Abstand meisten Einreichungen – waren die Fragen nach den Öffnungszeiten und der Verlässlichkeit.
Verlässlichkeit als wichtigster Baustein
Genau diese Verlässlichkeit ist aus unserer Sicht einer der wichtigsten Bausteine – sowohl für Eltern, für Kinder aber auch für die Arbeitgeber, die wieder Planungssicherheit benötigen. Wie oft hat in den letzten 3 Jahren fast jeder unserer Nürtinger Eltern spontan alles stehen und liegen lassen müssen, weil die Kita entweder früher schließt – oder man morgens beim Bringen erfährt, dass sie gar nicht aufmacht – wegen Krankheit, Personalmangel oder oder oder.
Das führte – neben der massiven Belastung der eigenen Psyche auch zu vielen Konflikten und Stress mit den Erzieherinnen, den Leitungen – die sich damit noch mehr unter Druck gesetzt fühlten. Dass hier manchmal der Ton rau wird, die Verzweiflung durchbricht und manchmal die Wut den Verstand übernimmt, ist nur allzu nachvollziehbar.
Begegnung mit anderen Elternbeiräten der Stadt
Trotzdem darf das nicht dazu führen, dass wir uns alle gegenseitig aufreiben. Denn am Ende geht es uns allen – um die Erfahrung für unsere Kinder. Neben Rückmeldungen der Erzieherinnen und verzweifelter Eltern, die uns dann und wann erreichen, hat mich ganz persönlich eine Begegnung auf der Veranstaltung im Februar, als wir alle Elternbeiräte der Kindergärten gemeinsam mit der Stadt eingeladen hatten – berührt.
Dort saßen zwei Vertreterinnen der Kita-Verwaltung und ich habe mich bedankt – für die aufopfernde Arbeit in den letzten beiden Jahren – denn wie so oft trifft es dann diejenigen, die bei der Stadtverwaltung das Telefon abnehmen und erboste und verzweifelte Eltern am Hörer hatten. Eine der Damen kamen fast die Tränen und sie offenbarte mir, dass das das erste Mal war, dass jemand ihre Arbeit wertschätze. Jeden Morgen, wenn sie zur Arbeit komme und das Telefon klingle, wisse sie schon, dass jetzt das nächste Donnerwetter folge – und sie könne nichts dagegen tun und verstehe auch den Frust der Eltern – trotzdem raubt es jeden Tag Energie.
Lösungsvorschläge und Umsetzung
Wir können uns alle fragen, ob es hilfreicher ist, mit großen anklagenden Überschriften und Buzzwords in der lokalen Zeitung Forderungen aufzustellen und weiterhin mit dem Finger auf andere zu zeigen, oder sich – wie wir es hier mit vielen engagierten Eltern tun, mit den komplexen und konkreten Details der Umsetzung und Lösungsfindung zu beschäftigen. Zu versuchen – gemeinsam mit allen Beteiligten – einen Weg zu finden, die fast unlösbar erscheinenden Herausforderungen zu meistern.
A propos Presse und Medien – ein Interessantes Phänomen, das wir in den letzten Wochen in den Leserbriefspalten und Socialmedia-Kommentaren beobachten konnten: Es wird dort immer wieder die Sorge um die Betreuungsqualität geäußert – mit keinem Wort kommen die 250 Eltern und Kinder in Nürtingen zu Wort, die gar keinen Platz bekommen haben.
Das neue Betreuungs-Konzept im Blick
Dass das neue Konzept – trotz Kürzungen an der einen Stelle – bis zu 75 neue Plätze schaffen kann, kommt dabei nirgends vor. Dabei wäre doch genau das die Solidarität, die wir immer alle fordern und die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit sich bringt. 75 Elternteile, die dann zumindest halbtags wieder arbeiten könnten. Vielleicht ist da ja die eine oder andere potentielle Erzieherin dabei? Ja, es gibt Platzsharing in der einen oder anderen Kommune im Land – übrigens fast ausschließlich bei privaten Trägern mit hohem Elternengagement und jedes einzelne dieser Konzepte hat eine Vorgeschichte mit Vor- und Nachteilen.
Und die lassen sich nicht auf Knopfdruck in einer Exceltabelle zusammenfassen. Als Unternehmer kann ich die Gedankengänge, die so einfach und logisch erscheinen, oft nachvollziehen – und oft genug habe ich mich in den letzten Jahren ebenfalls gefragt, warum man nicht Ressource A nach B verschiebt, um dann ein Potential von X zu heben. Was in der Wirtschaft so einfach klingt und oft auch umsetzbar ist – ist gerade in der Arbeit mit Kindern sehr schwierig – weil wir es mit ganz anderen Menschentypen – und Kindern zu tun haben. Jemand der soziale Arbeit macht, der tut dies genau aus dem Grund, weil ihm/ihr Big Business eben nicht liegt.
Wir als GEB Kita NT e.V. unterstützen den aktuellen Beschlussvorschlag
NICHT weil wir ihn so gut finden oder weil wir überzeugt sind, dass hier schon alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Bei weitem nicht. Aber es ist der einzige, der aktuell auf dem Tisch liegt und der einzige, der eine Stabilisierung der Situation zumindest ermöglichen könnte. Und er ermöglicht der Stadtverwaltung und den Kitaleitungen, einmal von der reagierenden in die agierende Position zu kommen. Und diese Möglichkeit sollten sie nutzen. Denn aus einer Position der Kontrolle kann wieder geplant werden. Doch sind aus unserer Sicht viele Dinge, die noch deutlich optimiert werden können – dazu zählen insbesondere das Thema Personalgewinnung.
Auch wenn es landauf, landab tönt, wir würden nur den Mangel verwalten – es geht hier vor allem darum, den Beruf des/der Erzieher/in bekannt und attraktiv zu machen. Dazu gehört nicht nur Geld, sondern vor allem bei den Jugendlichen der aktuellen Generation auch das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, beitragen zu können und wertgeschätzt zu werden.
Wenn wir mehr Erzieherinnen wollen, dann müssen wir auch mehr dafür tun, dass dieser Beruf wahrgenommen wird. Ein Learning aus der letzten Durchstartermesse könnte z.B. sein, einen eigenen Bereich nur für dieses Thema aufzumachen, regelmäßig in die Einrichtungen einzuladen, in die Schulen zu gehen und dort einen ähnlichen Sog zu erzeugen, den man sonst nur von Instagram – und TikTok Influencern mit schönen Bildern
aus Dubai & Co kennt.
Gemeinsames Miteinander in herausfordernden Zeiten
Auch wünschen wir uns, dass das Thema Elternmitarbeit nicht kategorisch als “nicht durchführbar” oder “nicht verwaltbar” abgetan wird. Es gibt Kommunen, da funktioniert es. Und wir sollten zumindest ergebnisoffen – und einrichtungsbezogen – und unter Mitarbeit der Eltern jeweils prüfen, was machbar ist.
Auch wir Eltern können dazu beitragen, Nürtingens Kitas attraktiv zu machen. Schaut auf die schönen Dinge, die funktionieren – die Erzieherinnen, die mit viel Herzblut und Engagement Osternester basteln, Ausflüge unternehmen und trotz des ganzen Ärgers und Stresses stets alles dafür tun, die Kinder davon möglichst nichts spüren zu lassen.
Ist das einfach? Und ist es gerecht, jetzt von uns Eltern noch mehr Verständnis zu erwarten, wo wir doch ohnehin schon so belastet sind? Es verlangt einiges von uns allen ab, gerade jetzt sich einzubringen, gerade jetzt ein Lächeln morgens auf den Lippen zu haben, wenn man die Kinder gestresst vorbeibringt, um dann irgendwie noch zur Arbeit zu hetzen – aber genau das und die vielen kleinen Gesten zwischen den Zeilen, werden dann genau der Funke sein, der dazu führt, dass in Nürtingen die Kitas als Arbeitgeber erscheinen, zu denen man gerne geht.
Im Namen des GEB Kita NT e.V. Teams
Michael Pauli